In den USA konnte man beobachten, was die Vorstellung einer vermeintlichen Widerstandspflicht mit Menschen anstellen kann, als 2016 ein junger Mann aus North Carolina aufbrach und in die Hauptstadt Washington fuhr, mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnet eine Pizzeria stürmte und mehrmals um sich schoss – einer der Internetmythen von QAnon besagt, dass in einem Hinterzimmer der Pizzeria Hillary Clinton und ihr damaliger Wahlkampfmanager kleine Kinder versklavten (der Schütze fand: nichts).

Wie lässt sich dieses Knäuel wieder entwirren?

Das US-amerikanische FBI hat die QAnon-Bewegung, deren Anhänger in Berlin auffällig präsent mitmarschierten, mittlerweile zur terroristischen Gefahr erklärt. Facebook und Twitter haben Tausende von Konten und Gruppen gesperrt, die die Ideologie von QAnon verbreiteten. Und auch der deutsche Verfassungsschutz hat ein Auge auf die Bewegung geworfen. Es gibt ein Recht auf Meinungsfreiheit, weswegen es richtig ist, die Demonstrationen zu erlauben – aber keines auf Gewaltaufrufe und die Verbreitung von aggressivem Antisemitismus.

Aber diese repressive Linie, über deren Berechtigung man im Einzelnen streiten sollte, dämmt das Problem bestenfalls ein, sie löst es nicht.

Regieren ist heute nicht mehr nur eine Frage von klugen Entscheidungen, sondern auch der Erzählung, warum und wie es dazu kam. Politik muss so transparent wie irgend möglich sein, Fehler (die es in der Corona-Krise zuhauf gab) eingestehen, Widersprüche (die es bis heute gibt) erklären. Zu Beginn der Krise hatte das Land eine Kanzlerin, die vieles davon versuchte, die sich in ungewohnter Weise erklärte. Davon ist nicht viel übrig geblieben, seit die Ministerpräsidenten der Länder die Führung übernahmen, von denen mindestens zwei eine eigene Agenda als mögliche Kanzlerkandidaten verfolgen. Dem zu misstrauen, ist nur gesund.

Wichtiger aber wäre es, politisch um jene Menschen zu ringen, die zu den grob geschätzt zehn bis 20 Prozent in der Bevölkerung zählen, die die Corona-Maßnahmen vehement ablehnen. Die Sorgen um ihren Arbeitsplatz haben, die nicht geimpft werden möchten oder die ihre Angehörigen im Altersheim besuchen wollten und dies nicht durften; denen also, die berechtigtes Bauchweh bei den neuen Regeln empfinden. Sie haben alles Recht der Welt, auf die Straße zu gehen und gehört zu werden, ohne als Covidioten oder Nazis diskreditiert zu werden.

Auf der anderen Seite stehen jene, die Schulter an Schulter mit Reichsbürgern und Rechtsextremisten laufen, die antisemitische Verschwörungsmythen verbreiten und keine Probleme mit der Symbolik der Flagge des Deutschen Reichs haben. Sie haben nur eines verdient: dass man zu ihnen eine unübersehbare Grenzlinie zieht, die niemand übertritt.