Die Maßnahmen zur Eindämmung des Cornavirus haben massive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen, auch indirekte Gesundheitsfolgen können auftreten. Wir haben Experten gefragt, welche Gefahren für Gesundheit und Psyche drohen.

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Die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, hat momentan höchste Priorität. Viele Länder hatten sich deshalb dazu entschieden, das soziale Leben und auch die Arbeitswelt einzuschränken. Bereits seit mehreren Wochen befinden sich viele Menschen deshalb im Homeoffice und haben ihre sozialen Kontakte heruntergefahren.

Doch Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren, wie sie hierzulande angeordnet wurden, stellen für viele auch eine außergewöhnliche soziale und psychische Belastung dar, die sogenannte indirekte Gesundheitsfolgen verursachen kann.

"Soziale Isolation ist auf Dauer ein gesundheitsgefährdender Faktor. Menschen, die ihr Leben lang sozial isoliert leben, haben ein deutlich höheres Sterberisiko als sozial integrierte Menschen. Das Sterberisiko von sozial isolierten Menschen ist in etwa so hoch wie das von Rauchern. Bestehende Beziehungen sollte man deshalb weiter pflegen, zum Beispiel per Telefon oder auf digitalem Weg" sagt Holger Paff. Er ist Soziologe und Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln.

Maßnahmen treffen Bevölkerung unterschiedlich stark

Die soziale Lage eines Menschen ist eng mit seiner Gesundheit und den Chancen zur Bewältigung einer Krise verknüpft. Wer bereits zuvor in einer finanziellen Notlage war oder mit Problemen in der Familie zu kämpfen hatte, wird sehr wahrscheinlich mehr unter den aktuellen Maßnahmen leiden als Menschen, die finanziell abgesichert sind und in einem ausgeglichenen Umfeld leben.

Kurzarbeit, Angst um den Arbeitsplatz oder eine bereits bestehende Arbeitslosigkeit können die Gesundheit negativ beeinträchtigen. "Arbeitslosigkeit wird mit einem zwischen 50 und 100 Prozent erhöhten relativen Sterblichkeitsrisiko und einer verringerten Lebenserwartung assoziiert. Das ist unter anderem auf erhöhte Risiken für Depressionen und Suizide sowie auf alkoholassoziierte Todesursachen, Verkehrsunfälle, Herzinfarkte und Krebserkrankungen zurückzuführen," sagt Volker Harth, Facharzt für Arbeitsmedizin und Institutsdirektor des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Psyche aktuell auch bei vielen Berufstätigen angeschlagen

Existenzängste, die anhaltende Ungewissheit und grundsätzliche Sorgen können die Psyche belasten, häufig resultieren Schlaflosigkeit, Unruhe oder auch Angstzustände. Wer nicht in Kurzarbeit oder ohne Arbeit ist, klagt aktuell häufig über eine unausgeglichene Work-Life-Balance.

Denn neben der sozialen Isolation im Homeoffice löst während der Coronakrise vor allem das Vermischen von Arbeit, Familie und Freizeit Konflikte aus, die wiederum Stress verursachen und bei andauernder Belastung zu psychischen Erkrankungen führen können.

"Wenn die Grundvoraussetzungen für Homeoffice passen, also Hardware, Technik, Ergonomie und soziale Umgebung, dann haben viele Menschen relativ wenig Probleme mit der Situation. Wenn das aber alles nicht gegeben ist und man zum Beispiel am kleinen Küchentisch sitzen muss oder die Kinder im Hintergrund umherlaufen, dann wird die Belastung schnell zu hoch und es können psychische Gesundheitsprobleme auftreten," sagt Pfaff.

Die Tücken des Arbeitens im Homeoffice

Flexible Arbeitszeiten und das selbstbestimmtere Arbeiten im Homeoffice bringen aber auch Vorteile mit sich, erklärt Harth. Es kommt also sehr auf die individuelle Situation des Einzelnen an, ob sich der Arbeitsalltag durch das Coronavirus überhaupt verändert hat und nun als Belastung wahrgenommen wird.

Der Arbeitsweg fällt weg, mittags geht man statt in die Kantine nur noch zum Kühlschrank und Besprechungen finden hauptsächlich vorm Computer statt. Wer im Homeoffice arbeitet oder in Kurzarbeit ist, bewegt sich automatisch weniger. Viele Betroffene leiden vermehrt unter Rückenproblemen, sogar eine Gewichtszunahme kann die Folgen sein.

"Körperliche Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sind bislang nicht so ausführlich untersucht wie mentale, jedoch gibt es auch hier empirische Hinweise auf einen Anstieg in der Krise," sagt der Arbeitsmediziner Harth.

Wer sich für ein paar Wochen weniger bewegt als sonst, muss in der Regel keine gesundheitlichen Auswirkungen befürchten, dennoch ist Bewegungsmangel grundsätzlich ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann langfristig "ein Risikofaktor für Herzkrankheiten und Schlaganfälle sein," bestätigt Pfaff.

Auch mögliche gesundheitsgefährdende Auswirkungen durch den Verzicht auf Vorsorgeuntersuchungen sind momentan schwer einschätzbar. Aus Angst vor einer Ansteckung lassen viele Menschen aktuell wichtige Früherkennungstermine ausfallen. Hier sollten Risiko und Nutzen abgewogen werden. Wenn Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden und Schutzausrüstung vorhanden ist, sind diese Untersuchungen in der Regel verantwortbar.

Die Coronakrise bewältigen - so gut es geht

Wer seinen Alltag strukturiert, sich regelmäßig bewegt und die Kommunikation mit anderen über digitale Wege aufrecht erhält, hat bessere Chancen gut durch die Krise zu kommen.

Pfaff rät: "Im Homeoffice sollte man versuchen, Arbeit und Freizeit räumlich zu trennen, wenn möglich also nicht mit dem Laptop am Esstisch sitzen. Mit dem Chef oder der Chefin und auch mit den Personen im eigenen Haushalt sollte man vorab klären, was machbar ist und was nicht, damit keine Konflikte auftreten."

Harth konstatiert zudem auch positive Nebeneffekte: "Wenn im Berufsalltag weiterhin mehr über digitale Medien kommuniziert wird, könnte es dazu führen, dass Dienstreisen und Berufsverkehr auch zukünftig abnehmen, wodurch umweltbedingte gesundheitliche Risiken, zum Beispiel durch Luftverschmutzung und Klimawandel, verringert werden können."

Über die Experten: Professor Dr. Holger Paff ist Soziologe und Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Versorgungsforschung, der Sozialepidemiologie (Soziologie der Gesundheit), sowie in der Gestaltung und Intervention in sozialen Systemen.
Professor Dr. med. Volker Harth ist Facharzt für Arbeitsmedizin und Institutsdirektor des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Es beschäftigt sich unter anderem mit der Bewertung der Rolle krankheitsbezogener Marker für die Präventionsdiagnostik bei der Entstehung von arbeits- und lebensstilbedingten Erkrankungen.

Verwendete Quellen:

Labor, Test, Corona

Viele Labor-Kapazitäten bleiben ungenutzt

Pro Woche werden in Deutschland Hunderttausende Corona-Tests durchgeführt. Laut einem Bericht des Robert-Koch-Instituts werden die vorhandenen Testkapazitäten allerdings bei weitem nicht ausgereizt.