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Störgeräusche im Radio
Von Barbara Schäfer, Wir leben in einer Welt, in der alles käuflich ist. Babykrippen, soziale Einrichtungen und Krankenhäuser werden nach ökonomischen Regeln betrieben, sogar das Grundwasser ist zur Ware geworden. Nach Ausbruch der Finanzkrise haben viele gefragt, ob es nicht an der Zeit wäre, wieder stärker über gesellschaftliche Alternativen nachzudenken. Und ob Ideen von Umverteilung, Solidarität und neuen Lebensmodellen dadurch Aufwind erhalten könnten. Doch das Gegenteil ist eingetreten – die Ökonomisierung nimmt ungehindert ihren Lauf, gesellschaftlicher Gegenwind ist kaum zu spüren. Radio ist ein gutes Medium für gesellschaftliche Störgeräusche. Die Themenwoche vom 7. bis 14. Dezember 2014 öffnet das Thema für viele verschiedene Hörer und Hörgewohnheiten. Mit Hörspielen und Features, sowie Essays und Gesprächen will "Ware Welt" Debatten anstoßen, die an anderen Stellen längst wieder versandet sind. |
Hörspiele
Das sind nicht wir, das ist nur GlasEin Hörspiel von Ivana Sajko "Das leise Knirschen der Rezession erfüllte das Dunkel ... und es gab mehr Kinder als Weizen... ." Die Finanzkrise wird ein halbes Jahrzehnt alt. Was tun, wenn es keinen Grund mehr gibt, den Wecker zu stellen? Das fragen sich überforderte Eltern und deren schlecht gelaunte Kinder, die über die Trümmer der zusammengebrochenen Wirtschaft und die kläglichen Reste ihrer einstigen Werte stolpern. Es ist die Zeit nach dem Gelduntergang. Während die einen nur noch hoffen, dass der Lungenkrebs vor der Zwangsversteigerung zuschlägt, fordern die anderen das einst versprochene Leben - koste es, was es wolle. Aus dem Kroatischen von: Alida Bremer
Hörspiel: Dienstag, 9. Dezember 2014, 20.10 Uhr
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Das HimbeerreichEin Hörspiel von Andres Veiel Die Sonderetage einer großen deutschen Bank. Hier haben ehemalige Vorstandsmitglieder ihre Büros. Die einen sind eigentlich schon in Rente, andere sind beurlaubt - ausgemustert sind sie allesamt. Doch ihr Wissen um Interna ist für die Bank zu kostbar, als dass man sie gehen lassen könnte. Im Himbeerreich sind sie auf Stand-by gestellt. Von hier aus beobachten sie die Bankenkrise, an der sie einst mitgewirkt haben. Sie erzählen von ihren Karrieren und Karriereknicks, vom Kick beim Investment Banking, von großen internationalen Deals und von den Verstrickungen von Finanzwelt und Politik. Sie haben die Krise kommen sehen, kannten die faulen Geschäftspraktiken und die unermessliche Gier ihrer Branche. Der Text entstand auf der Basis von Interviews mit ehemaligen und noch amtierenden deutschen Bankern. Regie: Ulrich Lampen
Hörspiel: Samstag, 13. Dezember 2014, 20.05 Uhr |
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Features und Essays
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Ökonomisierung und moralischer WandelEin Essay von Dominic Akyel In vielen industrialisierten Ländern ist seit den 70er-Jahren eine Zunahme rentabilitätsorientierten Wirtschaftens und eine Ausweitung von Marktbeziehungen zu verzeichnen. Dieser zumeist als ‚Ökonomisierung' bezeichnete Prozess zeigt sich mittlerweile in fast allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen auf organisatorischer und individueller Ebene. Ursächlich dafür waren jedoch nicht nur politische und ökonomische Veränderungen, sondern auch der Wandel sozialer Wertvorstellungen. Durch Individualisierungs- und Säkularisierungsprozesse entwickelten sich neue Bedürfnisse und Handlungsmodelle, die ebenfalls zur Ausweitung von Marktbeziehungen beitrugen. Was war dafür verantwortlich, dass sich das Marktprinzip während der letzten Jahrzehnte als herrschendes Paradigma etablieren konnte? Wie wirkten Unternehmer und Konsumenten daran mit? Und worin genau besteht die moralische Dimension der Ökonomisierung?Dominic Akyels Essay spürt solchen und ähnlichen Fragen nach. Der Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung forscht über den Wandel von Märkten und ist Autor mehrerer Publikationen zur Ökonomisierungstheorie. Essay und Diskurs: Sonntag, 7. Dezember 2014, 9.30 Uhr |
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Genug ist nie genug
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TTIP: Transatlantischer Traum
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Kreativ aber günstig: Der Künstler
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Wohin mit der ganzen Musik?
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Kulturelle Störgeräusche
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Gespräche
Musik und Fragen zur PersonDr. Ulrich Schneider, Erziehungswissenschaftler und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, im Gespräch mit Michael Langer. Ulrich Schneider ist Autor der Bücher "Armes Deutschland – Neue Perspektiven für einen anderen Wohlstand" und "Mehr Mensch! Gegen die Ökonomisierung des Sozialen". Er ist eine starke Stimme gegen das neoliberale Wirtschaftsdenken in Deutschland und fordert einen Wertewandel sowie politische Rahmenbedingungen, die soziale Arbeit in unserer Gesellschaft wieder möglich machen. Zwischentöne: Sonntag, 7. Dezember 2014, 13.30 Uhr > hören |
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Die Selbstaufgabe des Westens?Der Schriftsteller Ingo Schulze im Gespräch mit dem Autor und Politiker Norbert Blüm Die Selbstaufgabe des Westens ist ein doppelsinniger Begriff. Der Schriftsteller Ingo Schulze hat ihn formuliert für ein Gespräch mit dem Politiker Norbert Blüm. Es geht um die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die zerstört, was unser Leben lebenswert macht. Schulzes Rede "Unsere schönen neuen Kleider - gegen die marktkonforme Demokratie - für demokratiekonforme Märkte" vom Februar 2012 wurde immer wieder zitiert. Der Politiker Norbert Blüm wird gemeinhin mit der Sozialpolitik des Westens assoziiert – und mit dem Wahlkampfmotto aus dem Jahr 1986: „Die Rente ist sicher!". Essay und Diskurs: Sonntag, 14. Dezember 2014, 9.30 Uhr > hören |
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Musik und Fragen zur PersonMatthias Lilienthal, Festivalkurator und designierter Intendant der Münchner Kammerspiele, im Gespräch mit Barbara Schäfer "Bei Frank Castorf habe ich gelernt, über den Kontext von Theater nachzudenken, über die Verbindung des Theaters zu seiner Umgebung" - die Münchner dürfen gespannt sein, welche 'schlafenden Utopien' an ihrer von hochkarätigen Konsumtempeln gesäumten Prachtstraße schlummern. "Ein Edelpenner für die Maximilianstraße" titelte die SZ, der 53-jährige Berliner Matthias Lilienthal wird ab 2015 Intendant der Münchner Kammerspiele. Er war freier Journalist, Regieassistent am Wiener Burgtheater, Dramaturg am Theater Basel und lange Zeit Chefdramaturg und prägender Mitgestalter an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. Von 2003 bis 2012 machte er sich weltweit einen Namen als künstlerischer Leiter des Berliner HAU (Hebbel am Ufer), das 2004 und 2012 als "Theater des Jahres"" ausgezeichnet wurde. An die tausend Produktionen hat Lilienthal in seinen neun Jahren am HAU herausgebracht, 120 pro Spielzeit. 2014 verband er eine Professur in Beirut mit der Festivalleitung des "Theater der Welt" in Mannheim. Zwischentöne: Sonntag, 14. Dezember 2014, 13.30 Uhr > hören |
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RedaktionBarbara Schäfer (Ltg.), Tina Klopp, Markus Waldhauser Fotosccvision, picture-alliance / dpa / Daniel Karmann, AFP / Ben Stansall, dpa / picture alliance / Frank May, AFP / Cchristophe Simon, Petra Weiberg, Picture Alliance / dpa / Daniel Karmann, AFP / John Macdougall, Nina Red, picture-alliance/ dpa / Tobias Hase, Der Paritätische Gesamtverband, Christian Kruppa, picture alliance / dpa / Tobias Hase SendungenDas Feature: dienstags, 19.15 Uhr und freitags, 20.10 Uhr Zeitanalyse, Zeitgeschichte und Zeitkritik: "Das Feature" am Dienstag und Freitag widmet sich den großen Themen aus Kultur und Gesellschaft - ob investigativ, klassisch oder experimentell, mit Tiefgang und Erkenntnisgewinn sowie dem Genre gemäß nach allen Regeln der Radiokunst: Als O-Ton-Dokumentation, als Collage oder literarische Reportage. Dossier: freitags, 19.15 Uhr Bilden Sie sich ein eigenes Urteil: Das "Dossier" liefert Fakten und Hintergrundmaterial in Form von Quellen, Augenzeugenberichten und Expertenurteilen zu aktuellen oder historisch relevanten Themen aus Kultur und Gesellschaft. Essay und Diskurs: sonntags, 9.30 Uhr Freie Meinung, kluge Gedanken: "Essay und Diskurs" präsentiert zu Fragen der Gesellschaft, die aktuell diskutiert werden, ein eigenes Radioformat. Die Sendung eröffnet neue Blickwinkel auf kulturelle Themen und intellektuelle Debatten, hinterfragt aber auch den öffentlichen Diskurs und konterkariert ihn möglicherweise - mal als Radiotext, mal als Gespräch. Freistil: sonntags, 20.05 Uhr Populäre Kultur im Feature-Format: Unterhaltsames Radio auf der Suche nach neuen Phänomenen, modernen Mythen und spannenden Persönlichkeiten; mit Raum für Überraschungen und Assoziationen ganz im Sinne des "erweiterten Kulturbegriffs" im 21. Jahrhundert. Hörspiel: dienstags, 20.10 Uhr und samstags, 20.05 Uhr Zwischentöne: sonntags, 13.30 Uhr Musik und Fragen zur Person: 85 Minuten Zeit für eine Biographie, einen Musikgeschmack, ein Werk, eine Lebenslinie, kurz: für eine Persönlichkeit aus Kultur, Gesellschaft oder Politik im Gespräch mit Moderatorinnen und Moderatoren des Deutschlandfunks. Deutschlandfunk-EmpfangUKW: Frequenzdatenbank DAB+: Informationen zum Digitalradio |
LiteraturAkyel, Dominic: Ökonomisierung und moralischer Wandel. Die Ausweitung von Marktbeziehungen als Prozess der moralischen Bewertung von Gütern, Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung 2013 Akyel, Dominic: Die Ökonomisierung der Pietät. Der Wandel des Bestattungsmarkts in Deutschland, Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung 2013 Altvater, Elmar: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen: Eine radikale Kapitalismuskritik, Verlag Westfälisches Dampfboot 2011 Blüm, Norbert: Ehrliche Arbeit. Ein Angriff auf den Finanzkapitalismus und seine Raffgier, Gütersloher Verlagshaus 2011 Blüm, Norbert: Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten. Eine Polemik, Westend Verlag 2014 Dean, Sidney E.: Transatlantic Trade and Investment Partnership: Benefits and Concerns for America HRISQ, Hampton Roads, International Security Quarterly, Vol. XIII (2013) Nr. 4 Fisher, Mark: Kapitalistischer Realismus ohne Alternative. Eine Flugschrift, VSA 2013 Hagner; Michael (Hg.): Wissenschaft und Demokratie, Edition Unseld SV 2012 Herrmann, Ulrike: Freihandel - Projekt der Mächtigen : TTIP EU-USA Freihandels- und Investitionsabkommen, Stiftung Rosa Luxemburg April 2014 Hielscher, Volker/ Nock, Lukas/ Kirchen-Peters, Sabine/ Blass, Kerstin (Hg.): Zwischen Kosten, Zeit und Anspruch. Das alltägliche Dilemma sozialer Dienstleistungsarbeit, Springer VS 2013 Klimenta, Harald / Fisahn, Andreas/ Eberhardt, Pia (u.a.): Die Freihandelsfalle: Transatlantische Industriepolitik ohne Bürgerbeteiligung - das TTIP, VSA AttacBasistexte 2014 Krönig, Franz Kaspar: Die Ökonomisierung der Gesellschaft. Systemtheoretische Perspektiven, Transcript 2007 Miller, Daniel: Der Trost der Dinge, Suhrkamp 2010 Piketty, Thomas: Das Kapital im 21. Jahrhundert, C.H.Beck 2014 Rakow, Christian: Die Ökonomen des Realismus. Kulturpoetische Untersuchungen. Zur Literatur und Volkswirtschaftslehre 1850-1900, Edition Niemeyer / de Gruyter 2013 Rifkin, Jeremy: Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus, Campus 2014 Schulze, Ingo: Unsere schönen neuen Kleider. Gegen die marktkonforme Demokratie, Hanser Berlin 2013 Streeck, Wolfgang: Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Suhrkamp 2013 |