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Freitag, 20. März 2009
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Hilfe: Ole Seidenberg startet Internet-Aktion für Obdachlosen

Wie ein Student Uwe von der Straße holen will

Die Erkenntnis des 25-Jährigen: In der Anonymität des Datennetzes fällt das Spenden leichter.

Von Andreas Stolte

Ole Seidenberg (l.) und der Obdachlose Uwe, für den er seit sieben Wochen mit Hilfe des Internets sammelt.

Ole Seidenberg (l.) und der Obdachlose Uwe, für den er seit sieben Wochen mit Hilfe des Internets sammelt. Foto: Holger Stöhrmann

"Hast du mal 'nen Euro?" Auf diesen Standardspruch hatte Ole Seidenberg vorher nie reagiert. Aber etwas ist anders an dem Auftreten von Uwe, den er an einem sonnigen Wintertag vor sieben Wochen trifft. Der Obdachlose steht an seinem Stammplatz an der Mönckebergstraße, bittet die Passanten höflich um eine kleine Gabe. Der Soziologiestudent Ole kommt von einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch bei der Internationalen Umwelt GmbH EPEA. Zwei Welten prallen aufeinander.

Fast wäre Ole weitergegangen, doch wie Uwe ihn anspricht, erregt seine Aufmerksamkeit. "Ich habe heute Geburtstag", erklärt er. "Hast du nicht was für mich?" Ole wird nachdenklich. "Was bringt es, wenn ich dir einen Euro gebe? Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein - wenn, dann muss dir nachhaltig geholfen werden."

Der 25-Jährige bietet dem Fremden an, mit ihm einen Kakao trinken zu gehen. Im warmen Café hört er Uwes tragische Geschichte. Dass er seit 20 Jahren auf der Straße lebt. Dass er sich in dieser Zeit mit HIV und Hepatitis C infizierte. Nur selten findet der 44-Jährige in Notunterkünften wie dem "Pik As" einen Platz zum Schlafen. Neben dem Betteln hält er sich mit dem Verkauf der Obdachlosenzeitung "Hinz und Kunzt" notdürftig über Wasser. Aber Uwe macht auch klar: Noch hat er nicht aufgegeben, er will etwas mit seinem Leben anfangen.

Ole hat eine Idee, wie er ihn von der Straße holen könnte. Im Internet führt er ein Tagebuch, einen sogenannten Blog (www.socialblogger.de). Die Idee dazu kam ihm, als er im vergangenen Jahr zwei Monate bei einer Familie in Sierra Leone lebte. Das world wide web, davon ist Ole fest überzeugt, ist der ideale Ort, um auf die Nöte von Menschen wie Uwe und seiner Gastfamilie hinzuweisen. Er verspricht, aktiv zu werden.

Noch am selben Tag eröffnet Ole in seinem Blog die "Aktion Uwe". Er bittet um Spenden für den Obdachlosen, jeder Euro ist willkommen. Seine These: Auf der Straße machen die meisten einen großen Bogen um Bettler, sind sich zu fein, mit ihnen gesehen zu werden. Das Internet schaffe Distanz und gebe den Menschen so die Möglichkeit, sich für das Thema zu öffnen. Ole schildert Uwes Situation ehrlich und authentisch. Die Website helpedia.de hilft mit, die eingehenden Spenden zu verwalten. Mittlerweile sind 1500 Euro zusammengekommen. Die jüngsten Spender sind 20 Jahre alt, 100 Euro war der bisher höchste Betrag, der einging. "Es kam sogar Geld aus Minsk und Warschau. Und neulich wurde Uwe ein MP3-Player angeboten", erzählt Ole. "Das zeigt, dass die Bereitschaft der Menschen, im Internet sozial aktiv zu sein, enorm ist." Die Thematik begleitet ihn täglich. In seiner Magisterarbeit beschäftigt er sich mit dem Einfluss des "Web 2.0" auf Hilfsorganisationen wie Amnesty International und Greenpeace. Ole stellt fest, dass Spendenaufrufe nur dann erfolgreich sein können, wenn sie im Internet professionell und glaubhaft dargestellt werden.

Sein eigenes Projekt sieht er als geglückt an, wenn Uwe wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Der bewirbt sich derzeit bei der Saga GWG um eine Sozialwohnung. Bis eine passende gefunden wird, können bis zu drei Monate vergehen. Oles Aktion ist daher auch ein Appell an die Politik. Er fordert, dass solche Wartezeiten deutlich verkürzt werden.


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