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Wann ist der Freiberufler freiberuflich?

Freiberufler und Gewerbesteuer

(April 2001)
Inhalt dieses Artikels:
Wo ist die Freiberuflichkeit geregelt | Ist der Freiberufler unter "ähnlich" zu subsumieren | Fazit

Quelle: freiberufler info

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Finanzämter fordern von dem Freiberufler regelmäßig eine Darstellung seiner Tätigkeit - oft mit der Folge, dass er gewerblich eingestuft wird, weil er auf wesentliche Darstellungserfordernisse nicht achtet. Wer hier ein wenig Mühe investiert, kann viel gewinnen. Allerdings ist die einmalige Anerkennung als Freiberufler kein Freibrief. Es kommt immer auf die Tätigkeit an und diese kann sich ändern. Peter Rössler, Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main, analysiert, wann der Freiberufler freiberuflich ist.

 

Wo ist die Freiberuflichkeit geregelt?
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Grundlegende Norm ist § 18 I 1 EStG. Hier findet sich die gesetzliche Normierung des Freiberuflers im Rahmen eines Kataloges. Bei der Abgrenzung der Freiberufler gegenüber dem Gewerbetreibenden legt die BFH-Rechtsprechung außerordentlich strenge Maßstäbe an, insbesondere bei beratenden Betriebswirten und Ingenieuren. Dies wird anhand eines Falles deutlich:

In der Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 05.05.1999, hat der Kläger den Beruf eines Drehers erlernt und sich anschließend im Laufe einer 35-jährigen Berufstätigkeit ständig fortgebildet. Im Streitjahr machte er sich als Unternehmensberater selbständig. Das Finanzamt wollte ihn als Gewerbetreibenden behandeln, während er selbst die Auffassung vertrat, als beratender Betriebswirt freiberuflich tätig zu sein. Er legte hierzu dem Finanzgericht Unterlagen über die abgewickelten Beratungsaufträge vor. Das Finanzgericht forderte hierzu bei einem Professor der Betriebswirtschaftslehre, der den Kläger zusätzlich während etwa elf Stunden examinierte, ein Gutachten an. Es wurde festgestellt, dass der Kläger über ausreichendes Fachwissen eines technischen Betriebswirtes verfügte. Das Finanzgericht war danach der Meinung, der Kläger sei als beratender Betriebswirt anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei kein Hauptstudium der Betriebswirtschaft zu fordern. Ausreichend sei bereits die Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt. Entsprechende Kenntnisse seien bei dem Kläger aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme anzunehmen. Nach den vorgelegten Beratungsunterlagen werde er zudem in verschiedenen Bereichen der Betriebswirtschaft beratend tätig. Das Finanzgericht hat die Freiberuflichkeit des Klägers bestätigt, weil die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen bereits deutliche Hinweise auf einen ausreichenden Kenntnisstand gegeben haben. Für den Steuerpflichtigen, der wegen eines ähnlichen, im Selbststudium erworbenen Kenntnisstandes, ebenfalls als Freiberufler behandelt werden möchte, lässt sich daraus die Empfehlung ableiten, insoweit dem Finanzgericht nach Möglichkeit geeignete Unterlagen einschließlich einer Aufstellung aller beruflichen Fortbildungsmaßnahmen vorzulegen. Wertvoll ist auch das Kurzgutachten eines Steuerberaters.

Während bei den meisten gewerblich Tätigen der Einsatz von Kapital im Vordergrund steht, sind die freien Berufe in erster Linie durch eigenen Arbeitseinsatz gekennzeichnet (Reichssteuerblatt 1935, Seite 42). Aus diesen Unterscheidungen lassen sich allerdings keine klaren Abgrenzungsmerkmale gewinnen. Es gibt Angehörige freier Berufe, die mit erheblichem Kapitaleinsatz arbeiten, wie zum Beispiel Labor- und Zahnärzte, oder bei denen der eigene freie Arbeitseinsatz durch eine Vielzahl von fachkundigen Mitarbeitern verstärkt wird, wie zum Beispiel in großen Steuerberater und Anwaltskanzleien. Umgekehrt gibt es Gewerbetreibende, deren Berufsbild nahezu ausschließlich durch den eigenen Arbeitseinsatz geprägt wird, wie zum Beispiel Handelsvertreter. Da es an brauchbaren allgemeinen Abgrenzungskriterien fehlt, werden die selbständigen Tätigkeiten im Gesetz (§ 18 EStG) größten Teils katalogmäßig im Einzelnen aufgezählt und auf diese Weise von den gewerblichen Tätigkeiten abgegrenzt. Für die Rechtsanwendung bedeutet dies: Sind die im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale einer selbständigen Arbeit gegeben, ist das Vorliegen eines Gewerbebetriebes zu verneinen. Liegen dagegen die Voraussetzungen für eine selbständige Arbeit (§ 18 EStG) nicht vor, ist die Tätigkeit in der Regel als gewerblich einzustufen. Dies ist vor allem für die Grenzfälle von Bedeutung, in denen dem Steuerpflichtigen zum Beispiel die für eine freiberufliche Tätigkeit erforderliche Berufszulassung (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.1986, Bundessteuerblatt 1987, II, Seite 124) oder die für den betreffenden Beruf erforderliche Ausbildung (BFH-Urteil vom 18.06.1980, Bundessteuerblatt 1981, 11, Seite 118) fehlt. Die gesetzliche Abgrenzung in § 18 EStG hat sich im zunehmenden Maße als unzureichend erwiesen. Da der gesetzliche Katalog schon lange nicht mehr ergänzt worden ist, fehlen hier die neueren Berufsbilder, wie zum Beispiel aus dem Bereich der Datenverarbeitung sowie aus dem Medien- und Servicebereich und namentlich der des Informatikers nahezu vollständig. Das führt dazu, dass diese Berufe vom Finanzamt oft als gewerbliche Tätigkeiten eingestuft werden, obwohl sie - im Hinblick auf die Ausbildung und den Grad des persönlichen Einsatzes bei der Berufsausübung - viel eher zu den freien Berufen gerechnet werden müssten (vgl. Deutsche Steuerzeitung 1998, Seite 327, 331). Nicht zuletzt deshalb wachsen auch die Zweifel, ob die aus dem Gesetz abzuleitenden, oft willkürlichen Unterscheidungen verfassungsrechtlich noch haltbar sind (EFG 1998, Seite 1456, EFG 1998, Seite 1428). Derzeit sind beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig, die diese Problematik zum Gegenstand haben. Der BFH hat die Entscheidung offen gelassen und an das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. In einem weiteren Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 07.04.1999 (IV B 83/98) hat sich dieser nicht zu der Frage, ob eine gutachterliche Tätigkeit aus dem Bereich des Ingenieurwesens auch ohne entsprechende Ausbildung freiberuflich ist, geäußert. In diesem Fall hat der Kläger ein Studium an der staatlichen Ingenieurschule für Holztechnik als Diplom-Ingenieur FH abgeschlossen. Seine Aufgabe im späteren Unternehmen war die Beurteilung von Fachkräften in Führungspositionen. Seine Aufträge erhielt er direkt vom Vorstand, der zum Beispiel eine bestimmte Umstrukturierung plant oder im technischen Bereich eine hochqualifizierte Stelle besetzen wollte. Der Kläger hat sich darauf berufen, dass eine gutachterliche Tätigkeit selbst ohne entsprechende Ausbildung als ähnliche Tätigkeit im Sinne von § 18 11 EStG angesehen wird. Eine Entscheidung hat der BFH jedoch nicht getroffen, da der Antrag des Klägers Formmängel enthielt.

Zuletzt hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz am 31.8.2000 den hier entscheidenden § 18 EStG dahin gehend ausgelegt, dass die dort aufgeführten Katalogberufe nur "dazugehören" und nur als Beispielfälle anzusehen sind. Es sei damit impliziert, dass auch andere Berufe unter dieser Vorschrift subsumiert werden können, die eben nicht genannt sind, beispielsweise der Informatiker. Deshalb muss das im Gesetzestext enthaltene Wort "ähnlich" ausgelegt werden.

 

 

Ist der IT-Freiberufler unter "ähnlich" zu subsumieren?
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Aus der Beratungspraxis ist dies für den Informatiker anzunehmen. Dieser ist dem Bereich der naturwissenschaftlich technischen Berufe zuzuordnen. Im Bereich der technischen Berufe sind es vor allem die Ingenieure, deren freiberufliche Tätigkeit von der Rechtsprechung immer wieder von anderen Berufsbildern abgegrenzt werden müssen. Die Berufsbezeichnung Ingenieur darf nach den Ingenieurgesetzen der Länder grundsätzlich nur der führen, wer dazu aufgrund der vorgeschriebenen und erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung an einer entsprechenden Hochschule berechtigt ist. Informatiker und EDV-Berater werden nicht in dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt. Sie werden deshalb nur unter besonderen Voraussetzungen als Freiberufler betrachtet. Ein Dipl. Informatiker ist dem Dipl. Ingenieur in der Ausbildung vergleichbar. Ein gründliches theoretisches Wissen erlaubt die Dinge in einem anderen Zusammenhang zu sehen als angelerntes. Informatiker und Ingenieure sind mathematisch orientiert ( BFH vom 4.8.83, Az. IV R 6/60).

Es kommt daher auf die ausgeübte Tätigkeit an. Die Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 24.08.1995, Bundessteuerblatt 1, 1995 11 S. 888) unterscheidet zwischen den System-Softwareentwicklern, denen eine ingenieurähnliche Tätigkeit zugeschrieben wird und die deshalb den Freiberuflern zugerechnet werden, und den Anwendungs-Softwareentwicklern, Programmierern und Beratern, die als gewerblich Tätige eingestuft werden. Die didaktische Vermittlung eines Softwareprogrammes durch Erstellung entsprechender Ausbildungspakete wird dagegen als schriftstellerische - und damit freiberufliche - Tätigkeit angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 10.09.1998, Bundessteuerblatt 99 11, Seite 215). Kurz: Ein Betriebssystem-Softwareentwickler übt eine dem Ingenieur vergleichbare Tätigkeit aus, ein Anwendungs-Softwareentwickler nicht. Begründung: Beim Anwendungs-Softwareentwickler sind Kenntnisse im jeweiligen Anwendungsbereich neben den rein mathematisch-naturwissenschaftlichen erforderlich. Nur letztere begründen die Vergleichbarkeit mit dem Ingenieur (BFH vom 7.12.89, BFH vom 7.11.91, Az IV R 17/90).

 

Fazit
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Entscheidend ist bei einem fließenden Übergang von Anwendungs- und System-Softwareentwicklung die methodische, ingenieursmäßige Vorgehensweise, insbesondere die strukturierte Umsetzung von Abläufen in der Software und nicht das Anwendungswissen.

Es ist immer der Einzelfall zu betrachten. Die Grenzen zwischen Anwendungs- und Systemprogrammierer, so unverständlich diese auch sein mögen, sind heute noch Abgrenzungskriterien, die es auszufüllen gilt.

 

 

Von Rechtsanwalt Peter Rössler
Der Autor behält sich alle Rechte vor.
© 2001 Peter Rössler
Entnommen aus: freiberufler info Nr. 2, April/Mai 2001

 

IT Freiberufler Dieser Beitrag wurde uns mit freundlicher Genehmigung der IT freiberufler überlassen, dem Report für Selbständige in der IT und New Media Branche. Die IT freiberufler informiert IT-Freiberufler aus Deutschland, Österreich und Schweiz aktuell über Honorare, Marktentwicklung und Qualifizierung, Marketing, Auftragsakquise, Existenzgründung sowie rechtliche Fragen.

Kommentar zum Artikel

"Die frühere Differenzierung zwischen Systemprogrammierer und Anwendungsprogrammierer hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 05.04.2004 (Az. XI R 9/03) aufgegeben. Beide Tätigkeiten können freiberuflich ausgeübt werden. (Oktober 2005)"

"Der Artikel weckt Interesse an der Thematik. Eine Einteilung in 'gewerblich' oder 'freiberuflich' gehört meiner Ansicht nach auf den Müll. Eine neue sinnvolle Einteilung wäre z.B. in Tätigkeiten die für das Gemeinwohl förderlich bzw. eher schädlich sind. Die Abgrenzung dieser Kategorie sollte gerechterweise nicht scharf, sondern fließend erfolgen. Die Denkapparate der Behörden in diesem Lande sind hierfür aber möglicherweise nicht geeignet. (Februar 2005)"

"Um es klarzustellen, ein Diplom-Ingenieur ist nicht automatisch freiberuflich tätig nur weil er in der Liste der Berufe aufgeführt wird. Umgekehrt kann z.B. ein Techniker mit nachgewiesenen Kenntnissen eines Ingenieurs, die er über die Berufserfahrung, autodidaktisch und durch Weiterbildung erfahren hat, freiberuflich tätig sein. Entscheidend ist die Tätigkeit die technisch-wissenschaftlich orientiert sein muss und jedesmal neu erdacht werden muss. Eine geistige Tätigkeit, die auf schon vorhandenem, nicht selbst erstellten Material basiert und nur zusammenstellt, eben gewerblich. Nur wenn man diese Maßstäbe so genau bei den IT-Leuten ansetzt, warum geschieht das dann nicht auch mal bei Rechtsanwälten und Notaren oder Lehrern. Wodurch haben diese Berufe ihre Berechtigung? Sie wenden meines Erachtens nur vorgegebene Gesetze an, oder lehren immer wieder dasselbe. Kreativ sind Programmierer doch wohl allemal, also mindestens Künstler oder? (Juli 2004)"

"Vielen Dank für den Artikel, bringt etwas Klarheit in die Wirrnis ;) (Februar 2004)"

 

 

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